Bau und Streckenverlauf

Errichtung und Eröffnung der Eisenbahnlinie Halle – Hettstedt

Autor: Dr. Werner Dietrich

Nachdem die KED Halle am 14. Juni 1895 die Bauunterlagen bestätigt hatte, begannen einige Tage später die Bauarbeiten. Die Bauleitung war vom Hauptaktionär und künftigen Betriebsführer, der Gesellschaft Lenz & Co., in die Hände der Firma Knoch & Kallmeyer gelegt worden. Ungezählte Bauarbeiter – darunter viele italienische Gastarbeiter – trieben das Unternehmen in atemberaubendem Tempo voran. Trotz teilweise schwierigster Geländebedingungen waren bereits 1895 der Unterbau, die Bahnübergänge, mehrere Brücken und Durchlässe fertig gestellt. Im Herbst wurden die größeren Bahnhofsgebäude in Angriff genommen und die Gleise aus Richtung Hettstedt verlegt.

In den folgenden Monaten begleiteten ungünstige Witterungsbedingungen die Arbeitskolonnen. Zudem musste in Halle das Überschwemmungsgebiet der Saale überquert werden, was eine komplizierte Überbrückung erforderte. Endlich verschmolzen im April 1896 beide Schienenstränge bei Gorsleben (später Schochwitz). Die Ausführung noch fehlender Hochbauten und Anlagen rundete das Unternehmen – nach nur knapp einjähriger Bauzeit! – schließlich im Mai 1996 ab. Offiziell wurde die Halle-Hettstedter Eisenbahn am 30. Mai 1896 durch eine Eröffnungsfeier in Halle eingeweiht.

Titelbild der von Lenz & Co. zur Eröffnung der H.H.E. gewidmeten Festschrift (1896)   
Sammlung:  Dr. W. Dietrich      

Streckenverlauf

Die neue Eisenbahnlinie erstreckte sich über eine Länge von knapp 45 Kilometern. Ihren  Ausgangspunkt bildete der Bahnhof Halle (Saale)-Klaustor in der Mansfelder Straße (heute Parkplatz des ehemaligen Karstadt-Kaufhauses).

Der Bf Halle-Klaustor Anfang der 1960-er Jahren
Sammlung: Hans-Dieter Rammelt

Das dortige ehemalige Zollhaus – ab 1875 hatte es die Gaststätte „Zur Eisbörse“ beherbergt – diente als Empfangsgebäude. Für 14.928 Mark erworben, passte die H.H.E. den lang gestreckten Fachwerkbau seiner neuen Funktion an. Neben den Anlagen für den Personenverkehr nach Hettstedt verfügte der Bahnhof auch über einen Gleisanschluss zur Hafenbahn und damit zum Sophienhafen. Außerdem war ein Lokbahnhof zugeordnet. Unmittelbar nach Verlassen des Bahnhofs Halle-Klaustor passierten die Züge in rascher Folge vier Brücken von insgesamt 500 Metern Länge.

Saaleüberquerung nach Ausfahrt Bf Halle-Klaustor
Sammlung: Hans-Dieter Rammelt

Sie überspannten vier Arme der Saale und ihres Überschwemmungsgebiets. Weiter verliefen die Gleise einige Zeit parallel zur Eislebener Chaussee (heute etwa entlang der Magistrale in Halle-Neustadt), um dann nach Nordwesten zu schwenken. Bald erreichten sie den Bahnhof der damals noch eigenständigen Gemeinde Nietleben (später Halle West, heute Halle Nietleben). Hinter Nietleben stieg die Trasse leicht an. Teilweise in stärkeren Krümmungen durchschnitt sie jetzt die Dölauer Heide. Mitten im Wald lag der Heidebahnhof. Dann erfolgte die Umfahrung des Dölauer Berges in einem scharfen Linksbogen. Am Heiderand war die Haltestelle Dölau erreicht. In leichter Steigung führten die Gleise weiter nach Lieskau. Dort waren Ladestraßen für den Umschlag landwirtschaftlicher Güter vorhanden.

Nach Passage Lieskaus rollten die Züge wieder bergab, denn sie mussten das Tal der Salza durchqueren. Die nächste Station hieß Cöllme (später Salzmünde Süd). Nachdem die H.H.E. Cöllme hinter sich gelassen hatte, überquerte sie auf stählernen Kastenbrücken die Salza und die Staatsbahnstrecke Teutschental-Salzmünde. Lieferant der Überführungsbauwerke war die Firma Reuter & Straube aus Halle gewesen. Nun begann der Anstieg aus dem Salzatal, der „Fienstedter Berg“. Mit einer Neigung bis zu 70 Promille stellte er das steilste Streckenstück der Kleinbahn dar. Erst nach fast vier Kilometern, kurz vor dem Bahnhof  Fienstedt, endete die Steigung. Hinter Fienstedt nahm die Trasse ihren Weg durchs leicht wellige Mansfelder Land. Dabei berührte sie die Stationen Gorsleben (später Schochwitz), Naundorf (später Beesenstedt Ost) und Beesenstedt.

Einem kleinen Gefälle hinter Beesenstedt folgte alsdann der Bahnhof Schwittersdorf, der binnen kurzem auch die dortige Zuckerfabrik bediente. Im leicht welligen Gelände bahnte sich der Schienenstrang, vorbei an den Haltepunkten Rottelsdorf und Burgsdorf, seinen Weg nach Polleben.  Allerdings musste vor dieser Station noch ein größeres Gefälle durchfahren werden. Die nächsten zwei Kilometer verlief die Bahnstrecke entlang des Baches Schlenze, der sodann überquert wurde. Anschließend ging es wieder bergauf. Auf der Höhe folgte die Kreuzung der Chaussee und der Bahnhof Helmsdorf (später Heiligental) kam in Sicht. Hier sorgten die ansässige Zuckerfabrik und das Rittergut für einen umfangreichen Güterverkehr. Den Bahnhof Helmsdorf in einer langen Kurve nach Osten verlassend, überspannte eine Kastenbrücke wiederum die Chaussee. Die stählerne Konstruktion entstammte der Fabrikation der Erbauer der Saaleflutbrücken in Halle. Wie alle Brücken der H.H.E. außerhalb Halles, war sie auf gemauerten Trägern gelagert. Das Gleis wand sich nun bis auf eine Hochebene, schwenkte in einem Bogen nach Westen und gelangte im Gefälle ins Tal. Augenblicklich erreichten die Schienen jetzt Gerbstedt. Der Bahnhof, am Hang liegend, erstreckte sich über das Weichbild der alten Stadt. Er verkörperte die größte Betriebsstätte der H.H.E. zwischen Halle und Hettstedt. Auf engstem Raum war alles vorhanden, was für den regen Betrieb der Kleinbahn erforderlich war. Die Trasse der H.H.E. verließ Gerbstedt über zwei Brückenbauwerke und erreichte nach vier Kilometern Welfesholz. Weiter ging es vorbei an den Familienhalden, Zeugnissen des Bergbaues aus der Lutherzeit, nach Hettstedt, dem Endpunkt. Der Bahnhof zählte zum Bestand der Preußischen Staatseisenbahn und machte den Anschluss an die Hauptstrecke Berlin – Wetzlar – der so genannten „Kanonenbahn“, möglich.

Die Strecke Gerbstedt – Friedeburg

Schon wenige Monate nach der Inbetriebnahme der Strecke Halle – Hettstedt dachten die Aktionäre der H.H.E. über den Ausbau ihrer Schienenwege nach. Ins Zentrum der Überlegungen rückte der Anschluss der Gemeinde Friedeburg über eine Stichbahn von Gerbstedt aus. Der Hintergrund dieser Idee war in den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Landstriches zu suchen, denn der kleine Friedeburger Saalehafen und die ansässige Landwirtschaft versprachen ein gediegenes Frachtaufkommen. Die der Neubaustrecke entsprechenden Baupläne arbeitete die H.H.E. im Sommer 1898 aus. Der Merseburger Regierungspräsident und die KED Halle (Saale) zeigten keine Endwände. Am 31. März 1899 genehmigten sie den Bau der Ergänzungsstrecke. Der 9,3 Kilometer lange Streckenverlauf wies keine größeren geographischen Herausforderungen auf. Abgesehen vom Schienenstrang mussten nur wenige und kurze Brücken sowie drei Bahnstationen errichtet werden. Daher waren die Bauarbeiten auch innerhalb weniger Monate beendet. Die Gleise zweigten vom Bahnhof Gerbstedt in östliche Richtung ab. Alsbald erreichten sie das Schlenzetal, von wo es im leichten Gefälle über Zabenstedt, Friedeburger Hütte und Zabitz nach Friedeburg an der Saale ging. Am 1. September 1900 wurde die neue Stichbahn eröffnet.

Zug von Friedeburg kommend kurz vor der Einfahrt in den Bf Gerbstedt 1934
Foto: Karl-Ernst Maedel